Ein Verein, der Sterbenden Zeit schenkt
Gifhorn. Beim Festakt der Hospizarbeit Gifhorn sprechen Helfer über ihre Erfahrungen. Professorin Annelie Keil aus Bremen referiert.
Von Reiner Silberstein
Gifhorn. Lachen und weinen liegen oft nah beieinander, selbst bei der Hospizarbeit. Das zeigte sich anschaulich beim Festakt zum 20-jährigen Bestehen des gleichnamigen Vereins vor Helfern, Mitgliedern, ' Kirche, Politik und Verwaltung im Rittersaal des Gifhorner Schlosses am Samstag. „Sie sind alle wieder da“, sagte Gabi Baumann -jetzt, in ihren Erinnerungen, all die Menschen, die sie bis zum Tod begleitet hat. Sie berichtete wie Stefan Mühlstein und Petra Soffner von ihren Erfahrungen als eine der ehrenamtlichen Helfer - denn diese sollten im Mittelpunkt der Veranstaltung stehen. „Zum Beispiel der alte Herr, der mich gedanklich mit auf seine Reisen nahm, im Beiwagen seines Motorrads bis in die Schweiz. Wir wollten eigentlich noch nach Italien fahren.“ Oder der
Manager, den der Krebs viel zu schnell aus dem Leben gerissen hatte. „Seinen Lieblingsplatz auf Costa Rica habe ich später selbst einmal besucht.“ Wenn Menschen fragten, was sie bei den Sterbenden mache, dann sage sie: „Ich schenke Zeit.“ Wie man ganz positiv „Abschied leben lernen“ kann, bot Professorin Annelie Keil aus Bremen auf ihre humorige Art dar: „Manche Gattin sagt am Ende: Wenn du nicht bald stirbst, dann lasse ich mich scheiden.“ Vor dem Tod gebe es eben nichts mehr zu verschweigen, da stecke viel Wahrheit und Offenheit drin - „vielleicht ein Grund, dass auch viel gelacht wird. Die Hospizarbeit ist anstrengend, aber manchmal auch erfrischend.“ Jedenfalls solle der Sterbende nicht auf seinen Krankheitsbefund reduziert werden: „Das Leben ist nicht beendet, wenn es bedroht ist.“
Landessuperintendent Dieter Rathing meinte, die Hospizarbeit sei eine seiner stärksten Argumente gegen die Sterbehilfe. „Sie ist eine Lebensbegleitung auf das Sterben hin.“ Dieser Dienst sei von unschätzbaren Wert für die Gesellschaft. Sie halte mit ihrem Ehrenamt stand gegen die Professionalisierung und Ökonomisierung rund um das Sterben.
„Das Sterben gehört zum Leben wie die Geburt“, sagte Gifhorns Landrat Andreas Ebel. Und: „Wenn wir das Sterben würdigen, dann würdigen wir das ganze Leben. “ Sein Dank galt der „segensreichen Arbeit“ des Vereins.
Hospizarbeit sei anstrengend, sagte Professorin Annelie Keil, manchmal aber auch erfrischend. Fotos: Reiner Silberstein
GR 04.06.2018