„Der Krebs zerreißt alle Lebensträume“
Spendenaktion: Tumorpatienten stellen die Begleiter des Gifhorner Hospizes vor große Aufgaben.
Von Christian Franz
Stefan Mühlstein müsste das nicht tun. Der 50 Jahre alte VW-Logistiker ist beruflich ausgelastet, hat mit seiner Frau drei Söhne großgezogen, singt im Gospelchor. „Doch es gibt Themen im Leben, die einen berühren“, sagt Mühlstein. Und so ließ sich der Oerreler vor drei Jahren zum ehrenamtlichen Begleiter im Verein Hospizarbeit Gifhorn ausbilden. „Als mein jüngster Sohn in die Lehre kam, habe ich gemerkt, da ist Spielraum in meinem Leben. Ich wollte anderen helfen und ich fühle mich mit dieser Aufgabe an der richtigen Stelle.“
Die Aufgabe: Sterbenskranke Menschen und ihre Angehörige in ihrem letzten Lebensabschnitt zu begleiten. Einer Ausnahmesituation stellen sich Mühlstein und seine 40 ehrenamtlichen Kollegen mit jedem neuen Patienten. Doch Mühlstein hat gesehen: „Krebs trifft oft jüngere Menschen. Sie sind so endlos traurig, dass sie nicht weiterleben können.“ Ihre Lebenspläne seien zerrissen: „Alle ihre Träume, was sie nicht mehr sehen, erleben und fühlen werden.“
Wir haben so viele Aufgaben, die nicht refinanziert sind:
Patientenverfügungen, das Trauercafé oder Seminarwochenenden.“
Jeannette Ehlers, Koordinatorin des Vereins Hospizarbeit Gifhorn
Zugleich erleben Mühlstein und die hauptamtliche Koordinatorin Jeannette Ehlers die Angehörigen als völlig überfordert mit der Ausnahmesituation. „Sie spüren so viel Leid und Eingeschränktheit. Viele haben ein schlechtes Gewissen, dass es ihnen gut geht, geschweige denn, sich selbst auch mal zu freuen.“ In solchen Situation wollen die Begleiter Halt geben, ohne an Geld denken zu müssen, selbst wenn Fahrt- und Sachkosten von Krankenkassen nicht refinanziert werden. Es gehe weder um Medizin noch um Pflege oder Hauswirtschaft – „aber wir sind zu hundert Prozent für die Menschen da“, betont Stefan Mühlstein. Ihre oft monatelange Begleitung dokumentieren die Hospizhelfer. Auch Stefan Mühlstein hat aufgeschrieben, wie er sich mehr als sechs Monate um eine 51 Jahre alte Frau gekümmert hat. Die Mutter dreier Söhne starb im Hospiz an einem Hirntumor. Mühlstein gelang es, vorher das belastete Verhältnis der Frau zu ihren Kindern zu kitten, indem er erst einmal das Vertrauen der Patientin gewann. Sie erzählten zusammen, lasen, weinten. Zuletzt schrieb Mühlstein Briefe an die Söhne, wie sie die Mutter diktierte. Ein letzter Wunsch der Frau, mit ihren Söhnen ans Meer zu reisen, ging nicht mehr in Erfüllung. Aber sie starb ruhig im Kreis der Familie. Ihrem jüngsten Sohn hatte sie geschrieben: „Ich werde dich immer lieben. Deine Mama.“
Gifhorner Rundschau 06.12.2017
Stefan Mühlstein (50) begleitet für den Verein Hospizarbeit Gifhorn unheilbar erkrankte Krebspatienten. Die teilweise monatelange ehrenamtliche Begleitung wird umfassend dokumentiert. Foto: Christian Franz
Das Goldene Herz - Helfen, wenn Hilfe nicht mehr bezahlt wird
Die 40 ehrenamtlichen Begleiter des Vereins Hospizarbeit Gifhorn müssen stark sein. Sie begleiten sterbenskranke Patienten in ihrer letzten Lebensphase. Menschen mit Krebsdiagnose stellen die Begleiter vor besondere Herausforderungen. „Krebs trifft oft jüngere Menschen mitten im Familienleben“, weiß Koordinatorin Jeannette Ehlers. Und Begleiter Stefan Mühlstein (50) sagt: „Ihre Lebenspläne brechen zusammen.
In dieser Situation sind wir Begleiter zu hundert Prozent für sie da.“ Schwierig wird es, wenn trotz des Palliativ-Hospizgesetzes Angebote des Hospizvereins nicht von gesetzlichen Trägern refinanziert sind. „Dann sind wir auf Spenden angewiesen“, erläutert Koordinatorin Ehlers. So bekommen Begleiter Fahrt- und Sachkosten erstattet, wenn sie sich um ihre Patienten in Hospizhäusern außerhalb Gifhorns kümmern. Zurzeit besucht eine Begleiterin fast täglich das Kind einer 40 Jahre alten Mutter, die mit Krebs im Hospiz betreut wird.
Unter dem Thema „Diagnose Krebs“ hilft die Aktion dieses Jahr 14 Projekten in der Region, die Patienten und ihren Familien beistehen.
Über jede Initiative können Sie in den nächsten Wochen in unserer Zeitung und auf der Online-Themenseite zur Spendenaktion ausführlich lesen: Das Goldene Herz
Begleiter Stefan Mühlstein und Koordinatorin Jeannette Ehlers vom Verein Hospizarbeit Gifhorn helfen Krebspatienten in ihrer letzten Lebensphase. Foto: Christian Franz
Gifhorner Rundschau 30.11.2017
5000 Euro-Spende für Hospizarbeit Gifhorn
Gifhorn Das Geld der Volksbank BraWo soll in die Schulung der Begleiter des Vereins fließen.
Der Job, den Ewa Klamt und ihr Team leisten, wäre für Thomas Fast ja nichts. „Ich bewundere das, was Sie tun, ich selbst bin dafür zu nah am Wasser gebaut, ich könnte das nicht“, sagte der Leiter der Volksbank-BraWo-Direktion Gifhorn gestern. Als Anerkennung überreichte er der Vorsitzenden der Hospizarbeit sowie Schriftführerin Dorte Köpke einen symbolischen Scheck über 5000 Euro. „Damit Sie die Not der Menschen lindern.“ Die Volksbank BraWo kooperiert mit dem Verein seit drei Jahren. „Und ich werde das auch aufrechterhalten“, betonte Fast.
Klamt und Köpke bedankten sich und betonten, dass nicht nur Kinder oder alte Menschen begleitet werden, sondern „Menschen in ihren besten Jahren mit teils junger Familie.“
Weil die für den Verein anfallenden Kosten nur bedingt refinanziert würden, ist die Hospizarbeit auf Spenden angewiesen. Das Geld soll nun in die Schulung der ehrenamtlichen Begleiter, der Kinderbegleiter sowie in die Ausbildung der Trauerbegleiter fließen. dak
Ewa Klamt (rechts), Vorsitzende des Vereins Hospizarbeit Gifhorn, und Schriftführerin Dorte Köpke erhielten vom Leiter der Gifhorner Volksbank-Direktion, Thomas Fast, eine Spende im Wert von 5000 Euro.
Foto: Daniela König
Gifhorner Rundschau 21.11.2017