Projekt Wunschmomente: DRK erfüllt Sterbenskranken letzte Wünsche
Gifhorn. Die Bereitschaft des Kreisverbandes Gifhorn fährt Menschen, die durch das Palliativ- und Hospiznetz Gifhorn betreut werden, zu ihren Lieblingszielen.
Von Daniela König
Gifhorn. Einmal noch zu Rocken am Brocken in den Harz, ins Lieblingscafé in der Natur, ein besonderes Fest erleben oder eine charmante Stadt besuchen – solche und ähnliche Wünsche möchte der DRK-Kreisverband Gifhorn Menschen erfüllen, die sterbenskrank sind. Deshalb bringen geschulte Ehrenamtliche ab dem kommenden Jahr im Rahmen ihres neuen Projektes „Wunschmomente“ Menschen, die durch das Palliativ- und Hospiznetz Gifhorn betreut werden, zu ihrem Lieblingsort und begleiten sie während der unvergesslichen Stunden. Die Fahrgäste werden im Rettungswagen zum Ziel gebracht, zwei Mitglieder der DRK-Bereitschaft sind immer dabei - genauso wie eine Begleitperson desjenigen, der einen besonderen Tag erleben wird. „Wir sind insgesamt 100 aktive Mitglieder, fangen mit fünf bis sechs Ehrenamtlichen an. Der Umgang mit Palliativpatienten wird für uns eine Herausforderung sein, weil es neu für uns ist, aber wir gehen das sehr gern an“, berichtete David Skiba von der DRK-Bereitschaft.
„Der Krebs zerreißt alle Lebensträume“
Spendenaktion: Tumorpatienten stellen die Begleiter des Gifhorner Hospizes vor große Aufgaben.
Von Christian Franz
Stefan Mühlstein müsste das nicht tun. Der 50 Jahre alte VW-Logistiker ist beruflich ausgelastet, hat mit seiner Frau drei Söhne großgezogen, singt im Gospelchor. „Doch es gibt Themen im Leben, die einen berühren“, sagt Mühlstein. Und so ließ sich der Oerreler vor drei Jahren zum ehrenamtlichen Begleiter im Verein Hospizarbeit Gifhorn ausbilden. „Als mein jüngster Sohn in die Lehre kam, habe ich gemerkt, da ist Spielraum in meinem Leben. Ich wollte anderen helfen und ich fühle mich mit dieser Aufgabe an der richtigen Stelle.“
Die Aufgabe: Sterbenskranke Menschen und ihre Angehörige in ihrem letzten Lebensabschnitt zu begleiten. Einer Ausnahmesituation stellen sich Mühlstein und seine 40 ehrenamtlichen Kollegen mit jedem neuen Patienten. Doch Mühlstein hat gesehen: „Krebs trifft oft jüngere Menschen. Sie sind so endlos traurig, dass sie nicht weiterleben können.“ Ihre Lebenspläne seien zerrissen: „Alle ihre Träume, was sie nicht mehr sehen, erleben und fühlen werden.“
Wir haben so viele Aufgaben, die nicht refinanziert sind:
Patientenverfügungen, das Trauercafé oder Seminarwochenenden.“
Jeannette Ehlers, Koordinatorin des Vereins Hospizarbeit Gifhorn
Zugleich erleben Mühlstein und die hauptamtliche Koordinatorin Jeannette Ehlers die Angehörigen als völlig überfordert mit der Ausnahmesituation. „Sie spüren so viel Leid und Eingeschränktheit. Viele haben ein schlechtes Gewissen, dass es ihnen gut geht, geschweige denn, sich selbst auch mal zu freuen.“ In solchen Situation wollen die Begleiter Halt geben, ohne an Geld denken zu müssen, selbst wenn Fahrt- und Sachkosten von Krankenkassen nicht refinanziert werden. Es gehe weder um Medizin noch um Pflege oder Hauswirtschaft – „aber wir sind zu hundert Prozent für die Menschen da“, betont Stefan Mühlstein. Ihre oft monatelange Begleitung dokumentieren die Hospizhelfer. Auch Stefan Mühlstein hat aufgeschrieben, wie er sich mehr als sechs Monate um eine 51 Jahre alte Frau gekümmert hat. Die Mutter dreier Söhne starb im Hospiz an einem Hirntumor. Mühlstein gelang es, vorher das belastete Verhältnis der Frau zu ihren Kindern zu kitten, indem er erst einmal das Vertrauen der Patientin gewann. Sie erzählten zusammen, lasen, weinten. Zuletzt schrieb Mühlstein Briefe an die Söhne, wie sie die Mutter diktierte. Ein letzter Wunsch der Frau, mit ihren Söhnen ans Meer zu reisen, ging nicht mehr in Erfüllung. Aber sie starb ruhig im Kreis der Familie. Ihrem jüngsten Sohn hatte sie geschrieben: „Ich werde dich immer lieben. Deine Mama.“
Gifhorner Rundschau 06.12.2017
Stefan Mühlstein (50) begleitet für den Verein Hospizarbeit Gifhorn unheilbar erkrankte Krebspatienten. Die teilweise monatelange ehrenamtliche Begleitung wird umfassend dokumentiert. Foto: Christian Franz
Das Goldene Herz - Helfen, wenn Hilfe nicht mehr bezahlt wird
Die 40 ehrenamtlichen Begleiter des Vereins Hospizarbeit Gifhorn müssen stark sein. Sie begleiten sterbenskranke Patienten in ihrer letzten Lebensphase. Menschen mit Krebsdiagnose stellen die Begleiter vor besondere Herausforderungen. „Krebs trifft oft jüngere Menschen mitten im Familienleben“, weiß Koordinatorin Jeannette Ehlers. Und Begleiter Stefan Mühlstein (50) sagt: „Ihre Lebenspläne brechen zusammen.
In dieser Situation sind wir Begleiter zu hundert Prozent für sie da.“ Schwierig wird es, wenn trotz des Palliativ-Hospizgesetzes Angebote des Hospizvereins nicht von gesetzlichen Trägern refinanziert sind. „Dann sind wir auf Spenden angewiesen“, erläutert Koordinatorin Ehlers. So bekommen Begleiter Fahrt- und Sachkosten erstattet, wenn sie sich um ihre Patienten in Hospizhäusern außerhalb Gifhorns kümmern. Zurzeit besucht eine Begleiterin fast täglich das Kind einer 40 Jahre alten Mutter, die mit Krebs im Hospiz betreut wird.
Unter dem Thema „Diagnose Krebs“ hilft die Aktion dieses Jahr 14 Projekten in der Region, die Patienten und ihren Familien beistehen.
Über jede Initiative können Sie in den nächsten Wochen in unserer Zeitung und auf der Online-Themenseite zur Spendenaktion ausführlich lesen: Das Goldene Herz
Begleiter Stefan Mühlstein und Koordinatorin Jeannette Ehlers vom Verein Hospizarbeit Gifhorn helfen Krebspatienten in ihrer letzten Lebensphase. Foto: Christian Franz
Gifhorner Rundschau 30.11.2017